Wind, Pfeifen und Pedale - Stürmische Radtour "Orgeln & Meer"
Stürmisches, nasskaltes Wetter begleitete die Teilnehmer der viertägigen Radreise "Orgeln & Meer", die vielseitige Einblicke in die ostfriesische Orgel- und Küstenlandschaft gab.
Wenn man an die ostfriesische Küste fährt, muss man mit stürmischem Wetter rechnen - auch im Sommer. Die 17-köpfige Gruppe des ADFC Sendenhorst, die vom 11.-14. Juni unter dem Motto "Orgeln & Meer" in Ostfriesland unterwegs war, bekam das zwar in Form der bekannten "Schafskälte" zu spüren, trotzte aber den etwas widrigen Bedingungen standhaft und erhielt als Belohnung begeisternde Einblicke in die landestypische Natur- und Kulturlandschaft. Tourenleiter Heinz Braunsmann hatte eine etwa 230 Kilometer lange Ostfriesland-Rundtour zwischen Emsland und Wattenküste ausgearbeitet, die ihren Reiz vor allem aus der Verbindung eines Radel-Erlebnisses mit dem kulturellen Schwerpunkt "Orgellandschaft Ostfriesland" gewann.
Schon an Startpunkt in Weener/Ems wurde mit dem Besuch des "Organeums" ein erster musikalischer Akzent gesetzt. Landeskirchenmusikdirektor Winfried Dahlke, Leiter dieses interessanten Museums für historische Tasteninstrumente, führte die Besucher des ADFC mit viel Empathie und Sachverstand durch das Haus und demonstrierte historische Orgeln und verschiedene weitere Instrumente. Eine virtuos vorgetragene Klangprobe an der wertvollen Schnitger-Orgel der benachbarten Kirche St. Georg rundete den musikalischen Einstieg eindrucksvoll ab. Entlang der Ems ging es dann in die historische Altstadt von Leer, wo bei einem Besuch in der "Teestube am Hafen" die ostfriesische Teekultur studiert und probiert werden konnte. Vorbei am gewaltigen Sperrwerk vor der Mündung der Ems und am Emder Außenhafen führte die erste Etappe letztlich nach Emden, wo der erste Tag mit einem stilvollen Abendessen auf dem Feuerschiff "Deutsche Bucht" kulinarisch ausklang.
Die Krummhörn, ganz am westlichen Rand Ostfrieslands gelegen, ist einerseits bekannt für ihre malerischen Dörfer, andererseits aber auch für eine außergewöhnliche dichte Konzentration historischer Orgeln. Im idyllischen Rysum erhielt die Radgruppe eine Vorführung der ältesten noch erhaltenen Orgel Nordeuropas von 1457 - eine absolute Rarität. Aber auch sonst gab es viel zu sehen, wie z. B. die Larrelter Windmühle, den höchsten Leuchtturm Deutschlands bei Campen, den rot-gelben "Otto-Leuchtturm" bei Pilsum, das romantische Fischerdorf Greetsiel mit seinem malerischen Hafen und eine gehörige Portion vom Wetter aufgewühlter Küstenlandschaft, die trotz Elektro-Unterstützung eine Menge Kraft kostete. Am Zielpunkt in Norden wurde es noch einmal musikalisch, denn Thiemo Janssen, seines Zeichens bekannt als international tätiger Konzertorganist, demonstrierte die von Arp Schnitger 1692 fertiggestellte historische Orgel in der Ludgeri-Kirche - die zweitgrößte Orgel Ostfrieslands. Natürlich durften die Radler dabei auch die Empore der Orgel erklimmen - zu Fuß. Die verbrauchten Kräfte konnten dann im Restaurant "Möwchen" beim gemeinsamen Abendessen wieder regeneriert werden.
Auch der dritte Tag wurde dominiert von der bewährten Mischung aus Musik und Natur. Eine klanggewaltige Vorführung der drittgrößten ostfriesischen Orgel in Dornum (Gerhard von Holy, 1711) bildete den lehrreichen Orgelschwerpunkt des Tages. Entlang der Küste radelte die Gruppe dann zum Nordseebad Bensersiel und konnte dort noch einmal frische Meeresluft atmen. Eine Einkehr im berühmten Café Schlicky in Esens mit seinen legendären hausgemachten Torten gab genügend Kraft für die Fahrt über den versteckten schmalen Pfad des "Ostfriesland-Wanderwegs", der auch als begeisternde Radstrecke nutzbar ist und alle sicher zum Endpunkt in Aurich leitete. Gute Stimmung war inzwischen schon zum Automatismus geworden und wurde durch einen gemütlichen Abend in Aurichs "Hafenkiste" weiter aufgebaut.
Der letzte Tag begann mit einer Stadtführung durch die Auricher Innenstadt mit ihren lauschigen Wallanlagen, ihrem Schloss und dem kunstgeschichtlich bedeutsamen "Ihlower Altar". Über den Ostfriesland-Wanderweg steuerten die Radlerinnen und Radler dann in Richtung Leer-Loga. Dort befindet sich der Sitz der Orgelbauwerkstatt Ahrend, die international für den Bau und die fachgerechte Restaurierung historischer Orgeln bekannt ist. Firmenchef Hendrik Ahrend persönlich nahm sich zwei Stunden Zeit für einen aufschlussreichen Einblick in die faszinierende Welt des Orgelbaus, informierte über bautechnische Details und präsentierte der staunenden Gruppe in der Werkshalle den kompletten Aufbau einer kurz vor der Auslieferung stehenden großen Orgel für die Gemeinde Otterndorf. Bevor es dann zurück zum Startpunkt nach Weener ging, genossen die ADFC'ler noch einmal eine heitere und stilvolle Kaffeepause im Schloßcafé Evenburg.
Irgendwann aber geht auch die schönste Tour zu Ende. Zurück blieben unvergessliche Eindrücke und die Erkenntnis, dass speziell in Ostfriesland Fahrräder und Orgeln eine harmonische Verbindung durch Wind und Pedale eingehen können.